Heterogene Lerngruppen, ein hoher Organisationsaufwand und Personalmangel - viele Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt das aktuell und Lösungswege werden bereits diskutiert. Wie kann individualisierter Unterricht im hoch ausgelasteten Schulalltag gelingen? In diesem Blogbeitrag liefern wir Ihnen Methoden offenen Unterrichts, die Sie entlasten und für alle Seiten zu größerer Zufriedenheit und nachhaltigem Lernerfolg führen können.
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Was macht offene Unterrichtsformen aus und warum sind sie attraktiv?
Offene Unterrichtskonzepte zielen darauf ab, die Selbstständigkeit der Schüler:innen zu stärken und sie auf einen autonomen Lernprozess hinzuführen. Einerseits baut die Förderung des eigenständigen Lernens deren Schlüsselkompetenzen aus und ermöglicht einen stärker individualisierten Lernprozess. Andererseits können Lehrkräfte das Lernen passgenauer begleiten und müssen weniger den gesamten Lehr- und Lernprozess mit durchschreiten.
Die Idee, den Unterricht anders zu gestalten als durch Frontalunterricht und eine lehrerzentrierte Herangehensweise, ist nicht neu und steht in einer langen Tradition und Praxis in der Schule. Ein Beispiel dafür ist der französische Pädagoge Célestin Freinet, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts offene Unterrichtsformen praktizierte und einen undogmatischen und anregenden Beitrag zum offenen Unterricht leistete.
Es gibt ein breites Repertoire an Methoden und viele Beispiele, die Lehrkräfte ausprobieren, anwenden und individuell auf ihre Lehr-Lern-Situation anpassen können. Offener Unterricht wird also nicht durch eine bestimmte Methode definiert, sondern durch eine bestimmte Art des Unterrichtens.
Die vier Kernelemente offenen Unterrichts sind:
- Schüler:innenzentrierung: Die Lernenden gestalten den Lernprozess, indem sie möglichst eigenständig über Inhalte, Arbeitsformen und Sozialformen für sich entscheiden können. Sie bestimmen auf allen drei Ebenen mit und beteiligen sich an der Gestaltung des Lernprozesses.
- Begleitende Lehrer:innenrolle: Die Lehrenden strukturieren den Lernprozess durch gut aufbereitetes Material, welches sie den Lernenden zur Verfügung stellen. Sie begleiten den Lernprozess als Ansprechperson und unterstützen die Selbstorganisation der Schüler:innen.
- Handlungs- und Problemorientierung: Die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Lernenden ist ein wichtiger Motor des Unterrichts. Lernen wird als selbstgesteuerter, konstruktiver Prozess verstanden, in dem die Schüler:innen Probleme und Fragestellungen wahrnehmen und eigenständig, aber gut begleitet, an einer Lösung arbeiten.
- Methodenvielfalt: Individueller und gemeinschaftlicher Lernerfolg stärken sich wechselseitig. Kooperative Methoden, Lernen durch Lehren und individuelles Arbeiten werden kombiniert. Verschiedene Unterrichtsformen wie z.B. Wochenplanarbeit, Freiarbeit und Stationenlernen ermöglichen einen nachhaltigen Lernerfolg.
Was macht offene Unterrichtsformen aus und warum sind sie attraktiv?
Die Schulerfahrungen vieler Lernender in den letzten Jahren, bedingt durch Schulschließungen und Unterrichtsausfall, haben ihre Spuren hinterlassen. Die Heterogenität des Leistungsniveaus hat zugenommen und Binnendifferenzierung wird immer wichtiger, um die entstandenen Lernrückstände auszugleichen und die notwendige Autonomie und Individualisierung im Lernen zu fördern. Die Anforderungen, die an Lehrkräfte und Schule gestellt werden, scheinen das Mögliche zu übersteigen. Daher ist es umso wichtiger, nach praxisorientierten Arbeitsweisen zu suchen, die angemessene Lösungswege für die vielfältigen Anforderungen bieten.
Nach der längeren Phase des isolierten Lernens muss kooperatives Lernen wieder an Bedeutung gewinnen. Die Arbeitswelt erfordert breite soziale und kommunikative Fähigkeiten, die die Schülerinnen und Schüler in der Schule entwickeln und ausbauen müssen. Offenes Lernen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Eine Möglichkeit besteht darin, beispielsweise konfliktfreie Kommunikation durch den Einsatz von Lernstationen und Rollenspielen zu üben. Durch kooperatives Arbeiten in Projekten wird der Lehr- und Lernprozess dezentralisiert. Die Lehrkraft kann vermehrt beratend und unterstützend in Erscheinung treten, während die Lernenden in der Lernsituation eine größere Verantwortung übernehmen.
Der Ansatz des offenen Unterrichts geht davon aus, dass Kinder und Heranwachsende grundsätzlich intrinsisch motiviert sind und diese Motivation genutzt werden kann. Eine Schüler:innenzentrierung bedeutet hier, dass die Lernenden ihre Inhalte zumindest teilweise selbst wählen und den Lernprozess gestalten. Da es sich um kein geschlossenes Konzept handelt, besteht die Freiheit, die Inhalte und den Grad der freien Gestaltung des Lernprozesses entsprechend der Lerngruppe anzupassen. Durch verschiedene Methoden und Medien, sowohl digital als auch analog, können die Inhalte kreativ und motivierend für diesen individuellen Lernprozess aufbereitet werden.
Die neuen Möglichkeiten, die sich durch den zunehmenden Einsatz digitaler Endgeräte und spezieller Software ergeben, bieten zusätzliche Anreize und Möglichkeiten, den Unterricht zu öffnen. Die Lehrkraft muss nicht mehr im Mittelpunkt stehen, sondern plant im Voraus und begleitet ihre Schüler:innen dann bei der Lösung der Probleme, die bei der Erarbeitung auftreten. Die Digitalisierung kann Hand in Hand mit einer an die Lerngruppe angepassten Öfnnung des Unterrichts laufen und diese unterstützen.
Welche offenen Unterrichtsmethoden und -formen bieten sich an?
Offene Unterrichtsmethoden zeichnen sich dadurch aus, dass verschiedene Sozialformen möglich sind und die Inhalte in individuellem Tempo bearbeitet werden können. Die Lehrkraft bereitet die Materialien vor und plant Aufgabenstellungen innerhalb eines Zeitrahmens, damit die Schülerinnen und Schüler eigenständig ihre Aufgaben erledigen können. Wochenplanarbeit, Projektunterricht, Stationenlernen, Lernateliers und freie Arbeit können kombiniert werden, um unterschiedliche Phasen des Lernprozesses anzuleiten und zu begleiten.
Zum Ausprobieren: Stationenlernen
Eine niedrigschwellige Art und Weise den Unterricht zu öffnen, ist das Lernen an Stationen. Die Lehrkraft bietet themenbezogenes Material mit Arbeitsaufträgen an verschiedenen Orten im Raum an, die die Schüler:innen selbstbestimmt und in ihrem Rhythmus bearbeiten. Die bereitgestellten Materialien ermöglichen verschiedene Herangehensweisen an ein Thema und ergänzen sich gegenseitig. Stationenlernen stellt keine großen Ansprüche an die Räumlichkeiten und hat den großen Vorteil, dass es zahlreiche Möglichkeiten zur Differenzierung bietet und das Arbeitstempo der einzelnen Lernenden individuell sein kann. Zum Beispiel können einzelne Stationen fakultativ angeboten werden oder Stationen mit binnendifferenziertem Material ausgestattet sein. Zur besseren Organisation können den Lernenden Arbeitsbögen zur Verfügung gestellt werden, auf denen sie ihre Ergebnisse und Fortschritte festhalten können und der äußere zeitliche Rahmen festgelegt wird. In einer gemeinsamen Sicherungsphase kann die Lerngruppe ihr erworbenes Wissen und ihre neuen Fähigkeiten teilen, präsentieren und vertiefen.
Mit Kreativität zum eigenen Ansatz
Aus einem reichen Materialfundus lässt sich mit etwas Mut zur Umorganisation des gewohnten Unterrichtsalltags ein großer Gewinn für alle Seiten erzielen. Das Konzept des selbstorganisierten und selbstgesteuerten Lernens wird zunehmend an Schulen umgesetzt. Im Internet finden Sie viele filmische Dokumentationen, zum Beispiel über die Alemannenschule Wutöschingen, die Ihnen als Inspirationsquelle für Ihren eigenen Unterricht dienen können. Finden Sie Ihren eigenen Weg und lassen Sie sich von diesen Beispielen inspirieren!
Quellen:
Digitale Bildung: Revolution im Klassenzimmer - ZDFheute
Gemeinschaftsschule gestalten – Räume schaffen - Alemannenschule Wutöschingen - YouTube
http://methodenpool.uni-koeln.de/
http://www.mhaensel.de/reformpaedagogik/freinet/uebersicht_freinet.html