Am 25. Mai 2021 jährte sich der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd zum ersten Mal. Der weiße Polizist Derek Chauvin, der inzwischen u. a. im Anklagepunkt Mord zweiten Grades schuldig gesprochen wurde, hatte während eines Polizeieinsatzes in Minneapolis mehr als neun Minuten auf Floyds Hals gekniet und ihm so die Atemluft abgedrückt. Weltweit fanden daraufhin weitreichende Proteste der #BlackLivesMatter-Bewegung gegen Polizeigewalt statt. Nehmen Sie die Aktualität des tiefgreifenden gesellschaftlichen Problems „Rassismus“ zum Anlass, die Thematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln im Unterricht zu behandeln.
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Zur Entwicklung von #BlackLivesMatter
Unter dem Hashtag #BlackLivesMatter begann die gleichnamige Protestbewegung 2013 in den sozialen Medien nach dem Freispruch George Zimmermans, der den jungen Afroamerikaner Trayvon Martin in Sanford/Florida erschossen hatte. Nach den gewaltsamen Todesfällen zweier weiterer Afroamerikaner im Jahr 2014 – Michael Browns in Ferguson/Missouri und Eric Garners in New York City – führten Demonstrationen zu einem weiteren Bekanntwerden der BLM-Bewegung. Der Anschlag auf eine traditionell schwarze Kirche durch einen weißen Amokschützen im Jahr 2015 sowie weitere Todesfälle von Afroamerikaner*innen durch Polizeigewalt führten zu fortwährenden Protesten. George Floyds gewaltsamer Tod reiht sich in diese traurige Liste ein.
Ein Blick zurück – Rassistische Gewalt als Erbe der Sklaverei in den USA
Diskriminierung und Gewalt gegenüber schwarzen US-Amerikaner*innen sind nicht ausschließlich ein Phänomen der vergangenen Jahre, gründen sie doch in der Zeit des transatlantischen Sklavenhandels, der bereits im 15. Jahrhundert begonnen hatte. Etwa eine halbe Million verschleppter Schwarzafrikaner*innen wurde als rurale oder urbane Sklav*innen oder für den Bergbau in die Vereinigten Staaten verkauft. Die Anwendung von Gewalt war dabei eine der Grundvoraussetzungen in einer Gesellschaft, die die Menschen in zwei Gruppen einteilte: Sklav*innen und Nichtsklav*innen.
In den nördlichen Bundesstaaten wurde die Sklaverei in den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeitserklärung sukzessive abgeschafft, während in den landwirtschaftlich geprägten Südstaaten bis zum Ende des amerikanischen Bürgerkriegs (1861–1865) die Zahl der Sklav*innen auf mehr als vier Millionen gestiegen war. Erst mit der Niederlage der Konföderierten (Süd-)Staaten gegen die Nordstaaten (Unionsstaaten) und dem Ende des Sezessionskrieges 1865 begann die endgültige Abschaffung der Sklaverei auch im Süden der USA. Doch auch diese Abschaffung brachte keine Gleichheit für alle mit sich: Afroamerikaner*innen blieben vor allem im Süden der USA u. a. in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht (Zurücknahme des Wahlrechts, Jim Crow-Gesetze, Ku-Klux-Clan) weiterhin unterdrückt und benachteiligt.
Das Civil Rights Movement und der “Black American Dream”
Mitte der 1950er-Jahre begann mit Rosa Parks‘ Bus-Boykott von Montgomery/Alabama die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung. Diese fand mit der legendär gewordenen Rede „I have a dream“ des Baptistenpfarrers Martin Luther King Jr. beim Marsch auf Washington einen seiner Höhepunkte. Mit der Durchsetzung des „Civil Rights Act“ (1964) und des „Voting Rights Act“ (1965) durch Präsident Lyndon B. Johnson erreichte die Bewegung bedeutende politische Änderungen. Durch die Ermordung von Martin Luther King Jr. und seines Gegenspielers Macolm X zerfiel die Bürgerrechtsbewegung ab Mitte der 1960er-Jahre wieder. Einen erneuten bedeutenden Aufschwung erfuhr der „Black American Dream“ während der Amtszeit Barack Obamas, dem ersten schwarzen US-Präsidenten. Nicht zuletzt die Gründung der #BlackLivesMatter-Bewegung 2013 zeigt jedoch, wie stark soziale Differenzen zwischen schwarzer und weißer Bevölkerung der USA auch heute noch sind.
Rassismus als Erbe des globalen Kolonialismus
Auch wenn die #BlackLivesMatter-Bewegung in den USA ihren Anfang nahm, sind Rassismus und rassistische Gewalt kein exklusives Phänomen der Vereinigten Staaten. Im Gegenteil: Dass sich nach dem Tod von George Floyd weltweit Millionen mit #BlackLivesMatter solidarisierten, zeigt die Verbreitung von rassistischem Gedankengut und Diskriminierung in vielen Gesellschaften.
Blickt man auf die Situation in vielen Ländern Europas, liegt der Grund dafür im Wesentlichen in deren Vergangenheit als Kolonialmächte: Besonders flächendeckend trat im Zeitalter des Imperialismus die Vorstellung zutage, dass nicht alle Menschen gleiche und unveräußerliche Rechte haben. Dies führte vielerorts zur gewaltsamen Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung.
Wenn es um das koloniale Erbe geht und welche Folgen es noch heute für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft hat, wird die Debatte dabei häufig außerhalb Deutschlands verortet. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war jedoch auch das Deutsche Reich kolonialer Machthaber und betrieb damit offiziell eine Politik der Unterdrückung und Ausbeutung der als „wild” und „unzivilisiert” angesehenen kolonialen „Untertanen”. Im Fall der Herero und Nama im heutigen Namibia mündete dieses Überlegenheitsdenken Anfang des 20. Jahrhunderts in den ersten Völkermord der Geschichte.
Rassismus und Antisemitismus in der nationalsozialistischen Diktatur
In keinem Herrschaftssystem wurde die Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen aufgrund einer realen oder fiktiven gemeinsamen Abstammung allerdings so systematisch und grausam betrieben wie während der nationalsozialistischen Diktatur. Unter dem pseudowissenschaftlichen Anschein einer „Rassenlehre” wurden Menschen jüdischen Glaubens aber auch etwa Angehörige der Sinti und Roma pauschal als „rassisch minderwertig” diskriminiert, verfolgt und ermordet. Der staatliche Antisemitismus und Antiziganismus machte so auch rassistisches Denken im Privaten zur allgemeinen „Leitidee”. Und auch in unserer heutigen Demokratie zeigt sich offen zur Schau gestelltes rechtes Gedankengut: Sei es in Form marodierender Skinheads, die in der Postwendezeit Jagd auf Autonome und (vermeintliche) Ausländer machten oder in Form von rechtspopulistischen Parteien, die vor „Überfremdung” durch Geflüchtete warnen.
Rassismus im Alltag und in der Sprache konfrontieren
Rassismus ist also immer noch tief in den Köpfen verwurzelt. In Deutschland wird der Begriff meist synonym mit Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit verwendet, nach dem Motto: „Rassistisch handeln vielleicht Wählerinnen und Wähler rechter Parteien, aber ich doch nicht!”. Das ist allerdings zu kurz gedacht. Auch wer von sich selbst behauptet, nicht rassistisch eingestellt zu sein, kann unbeabsichtigt ein System unterstützen, das beispielsweise schwarze Menschen benachteiligt, ihnen nicht den gleichen Zugang zu Bildung und Arbeit gewährt und rassistische Diskriminierung zu einem Alltagsphänomen macht.
Bewusster und unbewusster Rassismus manifestiert sich oft in der Sprache und hier bietet sich für alle eine Möglichkeit, rassistische Denkmuster zu durchbrechen. Das heißt, schon in der Debatte über Rassismus selbst nicht Vokabeln wie „Rasse“ und „Rassenunruhen” zu verwenden, die fälschlicherweise die Existenz von Menschenrassen suggerieren und damit alte Ungerechtigkeiten aufrechterhalten. Im Kleinen kann das aber auch heißen, jemanden nicht als „schwarzes Schaf“ zu bezeichnen, nur weil er oder sie vielleicht aus der angeblich homogenen Reihe fällt. Ob der Austausch rassistischer Bezeichnungen in Kinderbüchern oder die Umbenennung von belasteten Straßennamen zu einem antirassistischen Bewusstsein beiträgt – darüber lässt sich wohl kein Konsens erzielen. Sicher ist aber, dass so auch die Mehrheitsgesellschaft für ein Problem sensibilisiert wird, das sonst für sie kaum sichtbar wird.
Im Unterricht für Rassismus sensibilisieren
Die Schule ist ein guter Ort, um bei Kindern und Jugendlichen ein Bewusstsein für Rassismus zu schaffen. In Fächern wie Geschichte, Politik, Deutsch oder Englisch geben Ihnen unsere Unterrichtseinheiten die Möglichkeit, das Thema Rassismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und Ihren Schüler*innen die unterschiedlichen Formen und Facetten von Rassismus näherzubringen. Auch fächerübergreifende Projekte können zur Sensibilisierung für das Thema genutzt werden: In Workshops wie „Blue Eyed“ erfahren die Lernenden, wie es sich anfühlt, allein aufgrund eines äußeren Merkmals benachteiligt zu werden. Solche Erkenntnisse stärken sie in der Einsicht, dass die Menschenrechte für alle gelten, und tragen hoffentlich dazu bei, rassistischen Einstellungen entgegenzutreten.